REZENSION LICHTBESEN AUS BLEI
 
"Schon der vor zwei Jahren erschienene Band Tropen im Tau vertauschte den Buchstabenbestand eines Wortes oder einer Zeile zur Bildung neuer Begriffe und hoffte auf die Wirkung einer sich selbst überantworteten Sprache. Die Variation des begrenzten Buchstabenmaterials führt auch in dem nun vorliegenden Lichtbesen aus Blei zu singenden Klangeindrücken. Die Wiederholung, nicht nur der Laute, ist das Mittel, mit dem Krass seine Gedichte verfugt ... Seit der Antike ahnte man, die Sprache könne auch reine Konvention, eine soziale Übereinkunft, in ihrem Bedeutungsgehalt ganz beliebig sein. Und seitdem gab es Leute, die sich gegen diesen Gedanken zur Wehr setzten: Die Kabbalisten glaubten an eine Sympathie des Zeichens mit dem Bezeichneten. Die Romantiker versuchten, die vermeintliche ursprachliche Einheit von Zeichen und Dingen literarisch wiederherzustellen. Und nun hofft Stephan Krass, mit dem Zahlenwert von Worten etwas verbindlich Verbindendes gefunden zu haben, er ist bereit, das Geheimnis der Schrift zu empfangen. Da leuchtet der Besen."
 
Sandra Kerschbaumer, Im Urgrund der Schriftzeichen, Frankfurter Allgemeine Zeitung
23. 06. 2005