REZENSION ALLES IST GESAGT
 
"Wenn Schriftzeichen aus der Reihe tanzen, dann steckt bestimmt ein Anagrammatiker dahinter, dem das Verdrehen von Buchstabe und Sinn poetisches Vergnügen ist. Im Hörspiel Alles ist gesagt von Stephan Krass spielen die Wörter Ringelpiez mit Anfassen. Kein Wunder, dass dabei aus der Postmoderne flugs Sondertempo oder ein Moderposten wird. Oder dass man in diesem Wörterspiel respektlos Wittgenstein hinterfragt: Alles, was der Fall ist / falls reell was da ist.
Auch vor Ernst Jandl und Kurt Schwitters, die ja selbst schon ordentlich permutierten, macht der Autor nicht halt. Und Arthur Rimbauds bedeutungsschwangeres Ich ist ein anderer wird zu einem drolligen Riese tarn dich nie. Die Melodien, Töne und Geräusche von Thomas Gerwin machen die Buchstaben lebendig. Stephan Krass und Ulrich Lampen (Regie) beschwören auf amüsante Art mal eine ganz andere Doppeldeutigkeit der deutschen Sprache.
Der letzte Gutenbergianer / er zeigt Letternabgruende."
Jutta Hess, Frankfurter Rundschau
 
"Stephan Krass hat sich von den kabbalistischen Wurzeln der Anagramm-Technik emanzipiert und benutzt sie als postmodernes Verfahren, das jenseits der großen Sinnzumutungen auf die Selbstreferenz des Materials setzt und ironisch den Ausgangstext kommentiert. Deshalb ist das gewählte Material kein beliebiges, sondern besteht aus nahezu heiligen Sätzen der Literaturgeschichte. Texte von Rimbaud, Conrad, Borges, Schwitters, Jandl und anderen durchlaufen Krass’ Verfahren und ergeben nach sorgfältiger Auswahl der erzeugten Permutationen wiederum Texte im Stil der Autoren. Beispielhaft dafür steht das schulbuchnotorische Gedicht Kleine Aster von Dr. med. Gottfried Benn, das schließlich (per)mutiert zu: Eiterskalen / eskalierten / ins Erektale / Raste kleine / Eklat-Sirene. Unter der Regie von Ulrich Lampen hat Thomas Gerwin das Hörstück "Alles ist gesagt" mit Oboe, Cello und Marimba instrumentiert und außerdem ein Geräuschalphabet aus 26 kleinsten Soundpartikeln entwickelt, das die Permutation der Wörter nachvollzieht. So ergibt sich ein schwebender Rhythmus für die Überraschungen, die Krass’ Konkrete Poesie (so pokerte keine) bereitet."
Jochen Meißner, Funkkorrespondenz
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